

28.01.2021 | 18.00 Uhr
Rat, 2. Sitzung
in 52388 Nörvenich, Neffeltalhalle
| Uhr
in

FDP Ortsverband
Ingola Schmitz
Oberstraße 17
52388 Nörvenich
Tel: 02426-902206
ingola-schmitz@t-online.de
Haushaltsrede | 30.11.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
meine sehr verehrten Damen und Herren der Verwaltung
werte Vertreterin der Presse,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
8 Billionen Euro? Können Sie sich diese Summe vorstellen? Nein, das ist nicht die Schuldenbilanz der Gemeinde Nörvenich, es ist die Bilanz der EZB. Was hat nun die EZB mit unserer Gemeinde zu tun?
Die EZB flutet die Märkte immer weiter mit neuem Geld und „Madame Inflation“, so wird Christine Lagarde inzwischen genannt, ist zur größten Geldschöpferin der Geschichte geworden.
Die Bilanzsumme ihrer europäischen Zentralbank hat bereits die Marke von 8 Billionen Euro geknackt und die dadurch entstandene Inflation erreicht inzwischen auch die Verbraucherpreise.
Die deutsche Inflationsrate liegt zurzeit bei 6 Prozent und damit auf einem neuen Höchststand. Und wir wissen, dass ihr Rückgang sehr viel länger brauchen wird als gedacht.
Meine Damen und Herren, welche Auswirkungen hat das auf unseren Haushalt? Nörvenich weist eine Schuldenbilanz von über 16 Millionen Euro aus. Dem Haushalt ist zu entnehmen, dass die Kommune unter den aktuellen Bedingungen nicht über genügend haushaltswirtschaftliches Potential verfügt, um bei einer eventuellen Zinserhöhung die prekäre Finanzlage aus eigener Kraft zu verlassen. Und diese Sorgen sind nur allzu berechtigt, denn jüngst erreichte uns die Meldung, dass die Fed in den USA die geldpolitische Wende bereits eingeleitet und den Leitzins erhöht habe. Lagarde erklärt daraufhin sichtlich verunsichert, dass es sehr unwahrscheinlich bleibe, dass die Bedingungen für eine Zinsanhebung im kommenden Jahr erfüllt seien. Aber Lagarde steckt in einem Dilemma und sollte sie sich doch auf Druck der Banken dazu entschließen, die Geldflut und Anleihekäufe zu stoppen, dann dürften die Zinsen steigen und diese zusätzliche Belastung wäre für unsere Kommune kaum mehr zu stemmen. Deshalb gilt es einmal mehr, vorauszuschauen und vor Überraschungen gefeit zu sein. Die Gemeinde Nörvenich in eine solide Finanzwirtschaft zu führen, bleibt für Verwaltung und Politik eine große Herausforderung, insbesondere angesichts des europäischen Damoklesschwertes, das über unseren Häuptern schwebt.
Meine Damen und Herren, gestern hat die neue Regierung ihren Koalitionsvertrag vorgestellt, dem zu entnehmen ist, dass, wie in der kleinen Gemeinde Nörvenich, für viele große Projekte viel Geld benötigt wird bei einem Schuldenstand von bereits 2,2 Billionen Euro. Der zukünftige Finanzminister fand deutliche Worte und will das Land in eine solide Finanzpolitik zurückführen. Da liegt es auf der Hand, dass mit dieser Maßnahme auch der Sack mit Fördergeldern für die Länder und Kommunen zugeschnürt werden wird.
Wie wir alle wissen, endet im Dezember 2021 der lange Weg des Stärkungspaktes und die Gemeinde muss wieder auf eigenen Füßen stehen. Das wird unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht leicht, denn dass der Haushalt in diesem Jahr mit einem Jahresergebnis von 22.364 Euro abschließt, ist lediglich den Sonderzuwendungen von Bund und Land zu verdanken. Ein eiserner Sparkurs ist also angesagt, alles muss auf den Prüfstand. Und deshalb ist es richtig, dass die Verwaltung Projekte wie den Bau des Rather Feuerwehrgerätehauses nochmals auf den Prüfstand stellt und Korrekturmaßnahmen ergreift. Solche Maßnahme wünschten wir uns vor allem für den Bau der Grundschule, der nach unserer Meinung nach wie vor für einen vollkommen falschen Standort geplant worden ist. Will die Verwaltung auf der einen Seite jedem Grundstücksbewerber in unserem zu vermarktenden Gewerbegebiet genügend Raum zur Entfaltung bieten, so wird auf der anderen für unsere Jüngsten ein kostenintensiver Neubau auf engstem Raum geplant, der noch nicht einmal genügend Platz für einen Schulhof bietet, so dass die Kinder in den Pausen den öffentlichen Park nutzen müssen, was viele Gefahren birgt. Viel Geld für ein Lernen im Käfig. Wir haben in manchen Sitzungen heftig darüber diskutiert. Erfreulich ist jedoch in diesem Zusammenhang anzumerken, dass nun doch eine zweite Eingangsklasse in die Grundschule Eschweiler über Feld einziehen wird.
Meine Damen und Herren,
Verwaltung und Rat haben Maßnahmen ergriffen, den Sprung ins kalte Wasser 2022 vorzubereiten, und vor allem Baugebiete geschaffen, aber nicht jede dieser Maßnahmen ist auch tatsächlich gelungen. Die Entwicklung des Vicus-Quartiers einem Investor zu übergeben, weil in unserem Bauamt Fachkräftemangel herrscht, hat nur dem Investor, der sich im Kreis Düren ein Monopol geschaffen hat, einen großen zweistelligen Millionengewinn gebracht, indem er die Grundstückspreise zu Höchstpreisen veräußerte. Mit einem Quadratmeterpreis von 360 Euro wird der zukünftige Mietpreis in diesem Wohnviertel massiv aufgeheizt und viele junge Familien haben sich auch in Anbetracht der zurzeit noch niedrigen Zinsen hoch verschuldet, um ein Baugrundstück zu erwerben, Schulden, die ihnen für lange Zeit ihre freie und unbeschwerte Zukunft nehmen werden. Meine Damen und Herren, ist das die Politik, die wir wollen? Wohnen als Kostenmarathon für unsere Bürgerinnen und Bürger? Ein Bündnis bezahlbarer Wohnraum ist das jedenfalls nicht. Und die Alternative kann doch nicht lauten, preiswert Wohnen = Erhöhung der Grundsteuer?
In Wissersheim findet sich das andere negative Beispiel einer Neubauoffensive. Ein serieller, und will man sachkundigen Bürgern Glauben schenken, mangelhafter Wohnungsbau flutet das Baugebiet und nimmt dem Ort seinen idyllischen Charakter. Das hat nichts mit Ortsentwicklung zu tun, hier wird nur noch ein Soll erfüllt. Deshalb muss die Verwaltung die Wohnungsbauentwicklung wieder selbst steuernd in die Hand nehmen. Mehrfach haben wir als FDP nachgefragt, ob es nicht riskant sei, die Steuerung solcher Aufgaben in die Hände Dritter zu legen. Damit sei die Einflussnahme auf die Projekte doch umfangreich beschnitten. Wir stießen auf taube Ohren.
Die Verwaltung begründet ihre Entscheidung vor allem mit einem Fachkräftemangel insbesondere im Bauamt, andererseits beklagt sie in ihrem Haushaltsvorbericht die hohen Personalkosten. Und man kann sich nur noch wundern, wie sie einerseits einen Werbebotschafter für umweltfreundliches Verhalten rekrutieren will, der nach zwei Jahren von der Gemeinde übernommen werden muss, aber andererseits das Bauamt personell unterbesetzt lässt. Selbst die neue Bundesregierung schafft nun ein weiteres Ministerium „Bauen und Wohnen“, weil sie die Bedeutung dieses Ressorts erkannt hat. Wir können nur an die Verwaltung appellieren, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Es bestünde zudem die Möglichkeit, auch digitale Baugenehmigungsverfahren in Anspruch zu nehmen, denn längst bieten IT Unternehmen (CIT) solche Plattformen an. Es kann nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger Jahre auf den ersten Spatenstich warten müssen.
Zu bemängeln ist auch, dass Fakten zur Bürgschaft, die Nörvenich für die BTG des Kreises Düren trägt, nicht transparent gemacht werden. Welche Risiken dürfen wir hier noch erwarten, die uns unter Umständen einen Einbruch des Haushaltes bescheren können? Ein neuer Geschäftsbericht der BTG ist im Netz nicht zu finden.
Viele Worte hören wir von der Verwaltung über ihre Agilität in Sachen Klima- und Umweltschutz und jüngst hat Herr Reuter mit seinem Antrag auf Ausstattung von Fotovoltaik auf den Dächern öffentlicher Gebäude einen positiven Förderbescheid erwirkt. Darüber freuen wir uns. Aber auch hier ist eine Ambivalenz in der Haltung zu Umwelt und Natur festzustellen. Einerseits sollen Klima und Naturschutz vorangebracht werden und wir hören große Worte über Wasserstoff und Biodiversität, anderseits beschließt man, dass mitten in einem landwirtschaftlichen Anbaugebiet zu Wissersheim eine Mülldekade eingerichtet werden soll. Wie ernst meint man es denn nun mit dem Klima- und Naturschutz? Warum gibt man das Land nicht denjenigen zurück, die es hergeben mussten, nämlich unseren Landwirten? Oder warum setzt man nicht auf eine naturbasierte Lösung? Konkret werden Förderprogramme für Moore, Wälder, Auen und Grünland aufgelegt. Eine solche Lösung zu favorisieren, wäre eine sinnvolle Klima- und Umweltpolitik.
Blicken wir auf die Entwicklung unseres Gewerbegebietes. Darüber werden wir im nichtöffentlichen Teil noch detailliert sprechen. Doch so viel sei gesagt: seit langem schwelt ein ungelöster Konflikt zwischen Verwaltung und einem ersten Bewerber aus der Gemeinde Nörvenich. Zusagen, meine Damen und Herren, müssen eingelöst werden, sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit.
Meine Damen und Herren, aufgrund vieler Unwägbarkeiten und aufgezeigter Fehlentwicklungen werden wir dem vorgelegten Haushalt in dieser Form nicht zustimmen.
Unabhängig davon danken wir Ihnen, lieber Herr Bürgermeister Dr. Czech, denn Ihr Amt ist wahrhaftig kein leichtes, sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für ihre geleistete Arbeit und die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Letztlich liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Ihnen allen sehr herzlich für die stets interessanten und lebendigen Debatten rund um unser Nörvenich bedanken, wir sollten uns auch weiterhin bemühen, im wertschätzenden, freiheitlich demokratischen Diskurs unseren gemeinsamen politischen Weg zu finden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.